Experten-Talk mit Hartwig Görtler:
âGute FĂŒhrungskrĂ€fte sind an vorderster Front!â
Interim Manager sind die SpezialkrĂ€fte der Wirtschaft â und das aus gutem Grund. Ăhnlich wie ihre militĂ€rischen Pendants werden sie in die Brennpunkte geschickt, wo schnelle, effektive und oft entscheidende Interventionen nötig sind. Nicht jeder hat das Zeug zum Interim Manager: Es erfordert ein spezielles Set an FĂ€higkeiten, eine besondere mentale StĂ€rke â und eine AusrĂŒstung, die auf die komplexen Herausforderungen der Unternehmenswelt zugeschnitten ist. In diesem Experten-Talk spreche ich mit meinem Interim-Kollegen Hartwig Görtler. Hartwig ist ein erfahrener Interim Executive mit starker Vertriebs- und Marketing-DNA und finanziellem Scharfsinn. Er ist Experte fĂŒr Unternehmensaufbau, -FĂŒhrung und Umstrukturierung von Unternehmen in der KonsumgĂŒterindustrie in Europa, dem Nahen Osten, Asien und Amerika. Hartwig hat viele seiner Skills beim MilitĂ€r gelernt â als Offizier der FallschirmjĂ€gertruppe, den spezialisierten KrĂ€ften der Bundeswehr. Gemeinsam beleuchten wir den hĂ€rtesten Managerberuf der Welt â und erkunden, was das Mindset, Skillset und Toolset von Interim Managern mit denen von Elite-EinsatzkrĂ€ften gemeinsam hat:
Beginnen wir mit dem Eintritt in die âKampfzoneâ: Hartwig, wenn du als Interim Manager in ein Unternehmen kommst, wie bereitest du dich auf die âersten Tage im Einsatzâ vor? Ist das Ă€hnlich wie ein Soldat, der sich auf eine neue Mission vorbereitet? Es gibt eine sehr schöne Parallele: Beide starten mit einer allgemeinen Lagebeschreibung, die oft nicht exakt mit der Situation vor Ort ĂŒbereinstimmt und die sich mit zunehmenden Informationen immer weiter verfeinert. Anfangs sind die Problemfelder oft nur schemenhaft erkennbar. Erst durch gezieltes Nachfragen und tiefergehende Analysen kommen die tatsĂ€chlichen Herausforderungen zum Vorschein. Das hat auch etwas mit Eigen- und Fremdwahrnehmung zu tun. Die Grundherangehensweise nennt man beim MilitĂ€r mit einem Augenzwinkern âhurry up and waitâ: Zuerst muss alles sehr schnell gehen, darauf folgt eine Phase des Wartens. Dann taucht man tief in die Situation ein und muss zĂŒgig entscheiden: Sind die Probleme identifiziert? Ist der Auftrag deutlich definiert? Sind die Ziele klar? Stehen die benötigten Ressourcen zur VerfĂŒgung? Ist das Vorhaben umsetzbar? Eine weitere Parallele ist vielleicht noch die anfĂ€ngliche Spannung vor einem Einsatz.
Wir Interim Manager mĂŒssen oft schnell auf Unternehmenskrisen reagieren. Kannst du beschreiben, wie diese ReaktionsfĂ€higkeit mit der eines Sondereinsatzteams vergleichbar ist, das auf einen Notruf reagiert? Es gibt einen groĂen Unterschied und eine groĂe Gemeinsamkeit: Der gröĂte Unterschied besteht darin, dass ich als Interim Manager nicht mit einer festen, hochqualifizierten Truppe in das Unternehmen komme, wie es bei Spezialeinheiten der Fall ist. Stattdessen treffe ich auf die bereits vorhandenen Mitarbeiter und muss mit ihnen zusammenarbeiten â unabhĂ€ngig von ihrer Ausbildung oder Erfahrung. Im Gegensatz dazu ist bei SondereinsĂ€tzen fĂŒr jede erdenkliche Situation ein Spezialist dabei, vom SanitĂ€ter bis zum Sprengmeister. Als Interim Manager stehe ich zunĂ€chst allein da und hoffe, im Unternehmen auf hochqualifizierte Personen zu treffen. Wenn nicht, gilt es, das Beste aus der gegebenen Situation herauszuholen. Die groĂe Gemeinsamkeit liegt in der Notwendigkeit, die Situation schnell und prĂ€zise zu erfassen und eine effektive, pragmatische Lösung umgehend umzusetzen. Dieses schnelle Erfassen und Handeln ist sowohl im militĂ€rischen Spezialeinsatz als auch im Interim Management von entscheidender Bedeutung.
Das sehe ich genauso. In kritischen Situationen wie Restrukturierungen darfst du keine Zeit verlieren, musst schnell Entscheidungen treffen und mit dem arbeiten, was da ist. Das ist auch wieder eine Gemeinsamkeit: Selbst, wenn du im Kampfeinsatz deine AusrĂŒstung verlierst, musst du weitermachen. Absolut. Vor allem bei Restrukturierungen benötigst du als Interim Manager auch Skills und Erfahrungen, die nicht jeder Mensch hat.
Bleiben wir beim Thema AusrĂŒstung: Welche Werkzeuge hĂ€ltst du immer bereit, um fĂŒr jede Art von âSchlachtfeldâ im Unternehmensumfeld gerĂŒstet zu sein? Im MilitĂ€r war es ĂŒblich, dass man sich viele notwendige AusrĂŒstungsgegenstĂ€nde selbst zu besorgen oder anzupassen musste â eine Parallele, die sich auch im Interim Management findet. Dort gibt es keinen standardisierten Werkzeugkasten. Jeder Manager bringt seine eigenen, individuell entwickelten Werkzeuge mit. Ein Beispiel dafĂŒr ist mein favorisiertes Tool: eine speziell angepasste Excel-Liste zur schnellen Bewertung von Kundenunternehmen und zur Ortung von Problembereichen. Obwohl einige Manager anfangs darĂŒber lachen mögen, ist diese Liste das Ergebnis jahrelanger Erfahrung und kontinuierlicher Weiterentwicklung. Und: Ihre PrĂ€zision ist beeindruckend. Ich kann genau bestimmen, wo ich nach den benötigten Daten suchen muss und das Tool auf die gesamte Organisation, einzelne Abteilungen oder verschiedene Vertriebsbereiche anwenden. Es erlaubt mir, sofort zu erkennen, wenn eine Kennzahl aus dem Rahmen fĂ€llt. Jeder Interim Manager hat im Grunde seinen eigenen, selbstgestalteten Werkzeugkoffer. ZusĂ€tzlich zu solchen Tools stĂŒtze ich mich auf meine Gewissheit und Zuversicht: Ich kenne meine FĂ€higkeiten und bin ĂŒberzeugt davon, dass ich dem Unternehmen helfen und es voranbringen kann, wenn meine UnterstĂŒtzung akzeptiert wird. Meine jahrzehntelange Erfahrung ermöglicht es mir, typische Fehlermuster in Organisationen schnell zu identifizieren. Diese Kombination aus maĂgeschneiderten Werkzeugen und tiefem Wissen macht den Interim Manager in der Wirtschaftslandschaft so effektiv.
Wir werden oft als die Feuerwehrleute der Wirtschaft bezeichnet. Ein Feuerwehrmann geht ja zum Feuer hin â und rennt nicht vor ihm weg. Wer dieses Gen nicht in sich trĂ€gt, taugt nichts zum Interim Manager. Diese eigene Gewissheit und Zuversicht muss man schon haben, da bin ich ganz bei dir! Weitere Parallelen finden sich in der strategischen Planung: Wie Ă€hnlich ist fĂŒr dich die strategische Planung im Vergleich zur Missionsplanung eines MilitĂ€rs, bei der oft unter Unsicherheit und Zeitdruck entschieden werden muss? Unsicherheit und Zeitdruck stellen deutliche Parallelen zwischen Interim Managern und MilitĂ€r dar. In einem meiner Mandate war der Zeitdruck besonders intensiv: HĂ€tten wir die Aufgabe nicht rechtzeitig abgeschlossen, wĂ€re das Unternehmen in eine existenzbedrohende Schieflage geraten. Meine Planungsmethodik ist stark militĂ€risch geprĂ€gt. Alles beginnt mit einem klaren Lagebild, das ich im ersten Briefing erhalte und durch gezielte RĂŒckfragen weiter prĂ€zisiere. Daraufhin folgt die Planung entlang der Linien von Lage, ĂŒber Auftrag, Ziel, verfĂŒgbare Mittel bis zur DurchfĂŒhrung. Ein entscheidender Faktor dabei ist die FĂŒhrung und Kommunikation sowie die UnterstĂŒtzung bei der Umsetzung. Oftmals werde ich zum Beispiel in ein Vertriebsmandat geholt und muss dann entscheiden, ob ich UnterstĂŒtzung benötige oder selbst unterstĂŒtzend tĂ€tig sein muss. Beim Launch einer Marke habe ich oft ein taktisches Bild vor Augen: Zuerst bereitet das Marketing wie Artilleriefeuer das Feld vor. Dann erfolgt eine Art âSchnelllandungâ durch agile KrĂ€fte, die die ersten Sicherungen vornehmen. Das sind erste Leads, die gewonnen werden. AnschlieĂend folgt der âHauptangriffâ durch den Vertrieb, Ă€hnlich der Infanterie, die das Terrain vollends einnehmen und halten. Das klingt martialisch, doch in der Marketingwelt nutzen wir oft militĂ€rische Begrifflichkeiten. Wir sprechen zum Beispiel davon, den Markt zu âerobernâ oder Marktanteile âzu gewinnenâ. Das stammt direkt aus der MilitĂ€rsprache. Wenn wir schon so sprechen, sollten wir auch so vorgehen! Die Herausforderung liegt darin, strategisch vorzugehen, Ă€hnlich dem militĂ€rischen Taktik-Konzept âGefecht der verbundenen Waffenâ. Dort werden verschiedene KrĂ€fte koordiniert eingesetzt. Ein gut orchestrierter Marketing-Mix, der Hand in Hand mit dem Vertrieb geht, symbolisiert ein erfolgreiches Zusammenspiel verschiedener Disziplinen, das die StĂ€rken maximiert und eine koordinierte Marktbearbeitung sicherstellt.
Da fĂ€llt mir Mike Tyson ein: âEverybody has a plan until they get punched in the face.â Das trifft auch auf Interim Management zu. Man kann noch so durchdachte PlĂ€ne haben â die RealitĂ€t hĂ€lt hĂ€ufig Ăberraschungen bereit. Als Interim Manager mĂŒssen wir uns darauf einstellen, dass die tatsĂ€chlichen Gegebenheiten fast immer von den Erwartungen abweichen. Die FĂ€higkeit, flexibel auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren und PlĂ€ne schnell anzupassen, ist daher eine der SchlĂŒsselkompetenzen in unserem Berufsfeld.
Ganz genau! Und um auf das Tyson-Zitat zu antworten, zitiere ich gerne Carl von Clausewitz: âKein Plan ĂŒberlebt den ersten Feindkontakt.â Als Interim Manager benötigen wir eine hohe FlexibilitĂ€t und Frustrationstoleranz. Ganz wichtig ist auch: Die Sinnhaftigkeit der geplanten MaĂnahmen muss fĂŒr alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar sein. Ich lege groĂen Wert darauf, möglichst viele EventualitĂ€ten durchzuspielen â so wie ein Team aus SpezialkrĂ€ften seinen Einsatz plant: Es ist entscheidend, dass alle beteiligten Experten ihre EinwĂ€nde einbringen können, um den Plan kontinuierlich zu verbessern und zu verfeinern. Das funktioniert allerdings nur mit einem Team von Leuten, die wirklich verstehen, was sie tun. Wie wichtig sind militĂ€rische FĂŒhrungsqualitĂ€ten wie Disziplin und Befehlskette in deiner Rolle als Interim Manager? FĂŒhrung sollte man nicht mit Befehlen verwechseln â das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Oftmals wird militĂ€rische FĂŒhrung mit den lautstarken Anweisern aus Bootcamps assoziiert, doch solche Erfahrungen hatte ich nie. Vielmehr geht es bei FĂŒhrung darum, das Verhalten der Beteiligten so zu steuern, dass gemeinsame Ziele erreicht werden. Lautstarkes Kommandieren ist hierbei fehl am Platz. Der SchlĂŒssel liegt darin, die Menschen wirklich zu erreichen und sie zu motivieren, sich auf VerĂ€nderungen einzulassen. Das erfordert viel Empathie und FingerspitzengefĂŒhl. Der zweite Aspekt der FĂŒhrung ist, die notwendigen Mittel und FreirĂ€ume zu schaffen und einen reibungslosen Informationsfluss zu gewĂ€hrleisten, damit das Team die Ziele erfolgreich umsetzen kann. AuĂerdem ist Disziplin unerlĂ€sslich, wird aber hĂ€ufig missverstanden. Disziplin hat in der modernen GeschĂ€ftswelt nichts mit altem PreuĂentum zu tun â sondern mit Verbindlichkeit! Wer in einem Unternehmen arbeitet, geht Verpflichtungen ein. Zum Beispiel sollte man bei einem Meeting, das um 15 Uhr beginnt, spĂ€testens fĂŒnf Minuten vorher anwesend und vorbereitet sein. Vorbereitet sein bedeutet, ĂŒber die aktuelle Marktsituation informiert zu sein, die anstehenden Herausforderungen zu kennen und mögliche Handlungsoptionen aufzuzeigen, um darauf basierend gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Disziplin beinhaltet Verbindlichkeit, ZuverlĂ€ssigkeit, Eigenverantwortung und Ehrlichkeit. Das sind grundlegende Werte. Und so hart es klingt: Sind sie nicht vorhanden, mĂŒssen sie etabliert werden!
Sehr schön! Das sehe ich auch immer wieder: Mitarbeiter folgen am ehesten den FĂŒhrungskrĂ€ften, die selbst mit anpacken und sich nicht scheuen, sich die HĂ€nde schmutzig zu machen. Solche FĂŒhrungskrĂ€fte brauchen oft keine lauten Befehle, um Respekt und LoyalitĂ€t zu gewinnen. Umgekehrt kollabieren Unternehmen, wenn die FĂŒhrungskrĂ€fte sich in ihrem Elfenbeinturm verschanzen und den Kontakt zu Mitarbeitern und Kunden verlieren. Es ist dieser Verlust an NĂ€he und Direktheit, der zu Problemen fĂŒhrt.
Richtig! GefĂŒhrt wird von vorn. Es erstaunt mich immer wieder, wie selten Verantwortliche tatsĂ€chlich beim Kunden sind. Auch das Marketing sollte hĂ€ufiger direkt beim Kunden sein. Als Vertriebler betone ich immer wieder: Man muss âdas WeiĂe im Auge des Kundenâ sehen, um ein echtes GefĂŒhl fĂŒr den Markt zu bekommen. Man muss echtes Interesse haben, rauszugehen und direkt mit den Menschen zu interagieren, mit denen man GeschĂ€fte macht. Nur so kann man wirklich verstehen, was sie wollen. Gute FĂŒhrungskrĂ€fte sind immer dort, wo die Herausforderungen am gröĂten sind, direkt an vorderster Front!
Kommunikation unter Druck ist sowohl im Kampfgebiet als auch in Krisensituationen in Unternehmen entscheidend. Was tust du, damit deine Botschaften klar und verstĂ€ndlich sind â selbst, wenn gerade Chaos herrscht? ZunĂ€chst bringe ich eine gewisse PrĂ€senz mit, die nicht kĂŒnstlich erzeugt werden kann â entweder man hat sie, oder man hat sie nicht. Mein Ziel ist es, meine Kommunikation so klar, direkt und verstĂ€ndlich wie möglich zu gestalten. Klarheit ist von immenser Bedeutung, auch wenn sie manchmal etwas schroff wirken kann. Doch es geht nicht um Unhöflichkeit, sondern um Direktheit. In einer Krise habe ich nicht die Zeit, Nachrichten sanft einzuleiten. Je gröĂer die Krise ist, desto prĂ€ziser muss meine Kommunikation sein, um InterpretationsspielrĂ€ume zu minimieren. Wichtig ist, dass der EmpfĂ€nger das Ziel kennt, meine Botschaft versteht â und innerhalb dieses Rahmens agieren kann. Der gröĂte Unterschied dazu im Kampfeinsatz: Wenn ich frĂŒher einen Befehl zum AusrĂŒcken gegeben habe, dann waren meine Leute weg. Idealerweise hatten wir Funkkontakt, aber auch das nicht immer. Ich musste mich also darauf verlassen, Stichwort Disziplin, wenn es heiĂt, âum 8 Uhr geht's losâ, dass es dann um 8 Uhr losging. Es wĂ€re tödlich, wenn die Artillerie noch 5 Minuten warten wĂŒrde. Dann habe ich nĂ€mlich keine Mannschaft mehr. Ich musste mich auch darauf verlassen können, dass jeder das Ziel erkennt. Selbst, wenn ich keinen Funkkontakt hatte, wusste ich: Da ist jetzt ein Hindernis, aber die Einheit ist gut genug, sie ist fĂ€hig, ich kann ihr so weit vertrauen, dass sie das Ziel irgendwie erreichen wird. Im Unternehmen sind wir eher gewohnt, rund um die Uhr erreichbar zu sein, ob per E-Mail, WhatsApp oder Anruf. Da geht es mehr um die Frage: Kommt meine Kommunikation so an, wie ich es haben möchte? Ich bevorzuge direkte, mĂŒndliche Kommunikation, da ich an der Reaktion und dem sozialen Feedback erkennen kann, ob mein GegenĂŒber die Botschaft verstanden hat. Je schriftlicher die Kommunikation, desto gröĂer der Raum fĂŒr Interpretationen. Und in einer Krise sind Interpretationen fatal. GrundsĂ€tzlich gilt: Klar, direkt und verstĂ€ndlich kommunizieren, EinwĂ€nde zulassen â und dann konsequent handeln.
Wie wichtig ist es fĂŒr dich, âkampferprobtâ zu sein und in verschiedenen âGefechtssituationenâ in Unternehmen Erfahrungen gesammelt zu haben? Ich hatte das GlĂŒck, in einer Einheit zu dienen, in der wir intensiv auf Stresssituationen vorbereitet wurden. Es war eine interessante und harte Erfahrung zu erkennen, wie man unter extremen Bedingungen wie Hunger, Schlafentzug und maximalem Stress noch Gleichrangige fĂŒhren muss â und sie zu motivieren, stressige und scheinbar sinnlose Ăbungen durchzufĂŒhren. Diese PrĂ€gungen sind der Grund, warum ich in vielen Situationen erstaunlich ruhig bleiben kann. Warum sollte ich mich auch aufregen? Das Schöne an der TĂ€tigkeit als Interim Manager ist doch, dass sie in der Regel nicht lebensgefĂ€hrlich ist.
Erfahrung ist fĂŒr mich ein zentrales Thema. UrsprĂŒnglich komme ich aus dem Vertrieb, habe aber auch andere Bereiche durchlaufen, wie Einkauf, Strategie, Marketing und Logistik â sowohl in Europa als auch in Fernost. Sogar Einblicke in die Buchhaltung habe ich gewonnen. Obwohl Buchhaltung nicht mein Steckenpferd ist, habe ich genug gelernt, dass mir niemand etwas vormachen kann. Diese VielfĂ€ltigkeit der Erfahrung â sowohl im Leben allgemein als auch spezifisch innerhalb verschiedener Betriebsbereiche â ist entscheidend in meinem Beruf. Wenn es in einem Unternehmensbereich brennt, kann ich nicht einfach sagen, dass ich diesen Sektor nicht gut genug kenne. Das wĂ€re weder fĂŒr mich noch fĂŒr das Unternehmen von Vorteil. Ich muss schnell schalten und erkennen können, wo die Probleme liegen und wo nicht. Und hier kommt der zweite Punkt zu Erfahrung: Gute FĂŒhrung entscheidet sich erst in Krisensituation. Es gibt viele SchönwetterkapitĂ€ne da drauĂen. Es ist auch okay, einen Betrieb skalieren zu können, wenn die Wirtschaftslage gut ist. Komplexer wird das Ganze aber, wenn der Markt kippt und das Unternehmen in eine Krisensituation schlittert. Dann zeigt sich, wer auch bei Sturm segeln kann. Ich sehe mich da als Interim Manager als ein Lotse. Der kommt bei Sturm an Bord und steuert das Schiff durch die Krisenwellen. Dazu muss der KapitĂ€n den Lotsen aber auch machen lassen. Ich glaube, das ist etwas, was vielen FĂŒhrungskrĂ€ften sehr schwerfĂ€llt: den Lotsen wirklich ans Steuer zu lassen. Da sprichst du etwas ganz Wichtiges an: Gute FĂŒhrung bedeutet, mit 80 Prozent an Informationen 100-prozentige Entscheidungen zu treffen. Im Kampfeinsatz hat man oftmals noch weniger Informationen und muss dennoch 100 Prozent Entscheidungen treffen. Als Interim Manager haben wir auch nicht viel Zeit, Vertrauen aufzubauen. Darum meine Frage: Wie baust du Vertrauen und Kameradschaft im Team auf, damit alle an einem Strang ziehen? Sowohl im Beruf als auch privat hat jeder Mensch bei mir ein sogenanntes Vertrauensbonuskonto mit anfĂ€nglich 10 Punkten. Diese Punkte können sich verringern: FĂŒr gravierende Fehler gibt es mehr Punktabzug, fĂŒr kleinere Fehler entsprechend weniger. So kann ich ĂŒber die Zeit beurteilen, ob ich einer Person in der Interaktion vertrauen kann oder nicht. Um Vertrauen aufzubauen, sind fĂŒr mich vier Grundprinzipien essenziell: Du musst authentisch sein, zugĂ€nglich, erreichbar â und du musst ein starkes Verantwortungsbewusstsein haben. Das gilt sowohl fĂŒr das Ergebnis deiner Arbeit als auch fĂŒr die Einhaltung der Unternehmenswerte und die Disziplin, zumindest wĂ€hrend der Zeit, die du im Unternehmen verbringst. Gab es kritische Situationen im Mandat, wo du entschlossen weitergemacht hast, trotz schwieriger UmstĂ€nde und möglicher Misserfolge?
Es wĂ€re unehrlich zu behaupten, dass als Interim Manager alles immer reibungslos lĂ€uft. Doch es ist meine MentalitĂ€t, nicht aufzugeben. Ich bin optimistisch, dass Herausforderungen ĂŒberwindbar sind. Die FĂ€higkeit zur Selbstmotivation ist dabei unerlĂ€sslich. Ich kann nicht erwarten, dass mich jemand tröstet und mir sagt, dass morgen alles besser wird. Diese Aufgabe ĂŒbernehme ich durch meine Willenskraft schon selbst. Die gröĂere Herausforderung liegt jedoch darin, diese Einstellung auch anderen zu vermitteln â besonders, wenn Entscheidungen nicht akzeptiert oder nicht korrekt umgesetzt wurden. Hier musst du die GröĂe zu haben, zuzugeben, wenn etwas nicht gut lief â und gleichzeitig sofort Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln, dass das noch nicht das Ende ist. Hinfallen, aufstehen, weitermachen. Diese âNever-Give-Upâ-MentalitĂ€t habe ich aus dem Leistungssport. Ich stelle gerne Menschen ein, die im Wettkampf-Sport aktiv sind oder waren, denn: Sie haben gelernt, mit Niederlagen umzugehen. Wie misst du den Erfolg deiner Mission als Interim Manager und wie sorgst du dafĂŒr, dass das Team alle zuvor geplanten Checkpoints erreicht?
Ich messe den Erfolg anhand von drei Fragen, die unterschiedlich gewichtet sind. Die erste und wichtigste Frage lautet: Wurde das Ziel erreicht? Wenn das Unternehmen wieder profitabel ist und das Ziel im Mandat erfĂŒllt wurde, dann habe ich die volle Punktzahl erreicht. Dabei ist es fĂŒr mich zweitrangig, ob die Mitarbeitenden mich dafĂŒr besonders mögen. NatĂŒrlich wĂ€re es schön, ein positives Feedback zu erhalten, aber manchmal bleibt dies aus. Die zweite Frage betrifft die Zufriedenheit der Stakeholder. Sind sie zufrieden, bedeutet das eine Anerkennung meiner Leistung, was mich besonders freut. Die dritte Frage, ob wirklich alle zufrieden sind, ist am wenigsten entscheidend, denn es gibt fast immer jemanden, der Kritik ĂŒbt. FĂŒr mich zĂ€hlt in erster Linie das Erreichen des Ziels. Die Zufriedenheit der Stakeholder und der Mitarbeitenden ist wĂŒnschenswert, aber nicht essenziell. Hier ziehe ich wieder den Vergleich des Lotsen heran: Auch wenn ich vielleicht nicht mit dem KapitĂ€n harmoniere und er sich spĂ€ter ĂŒber mich beschwert, zĂ€hlt am Ende, dass das Schiff unbeschĂ€digt und pĂŒnktlich den Hafen erreicht hat. HĂ€tte der KapitĂ€n mich gemocht und wĂŒrde er am Ende gut ĂŒber mich sprechen, wĂ€re das schöner. Aber es wĂŒrde da Ergebnis nicht verbessern. Das ist die Trennlinie: Das eine ist gut, das andere ist schön. Aber schön muss nicht immer gut sein und gut ist nicht immer schön.
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