Gute Führungskräfte sind an vorderster Front!

May
12
,
2024
2024
Ulvi AYDIN
Experten-Talk mit Hartwig Görtler: „Gute Führungskräfte sind an vorderster Front!“ Interim Manager sind die Spezialkräfte der Wirtschaft – und das aus gutem Grund. Ähnlich wie ihre militärischen Pendants werden sie in die Brennpunkte geschickt, wo schnelle, effektive und oft entscheidende Interventionen nötig sind. Nicht jeder hat das Zeug zum Interim Manager: Es erfordert ein spezielles Set an Fähigkeiten, eine besondere mentale Stärke – und eine Ausrüstung, die auf die komplexen Herausforderungen der Unternehmenswelt zugeschnitten ist. In diesem Experten-Talk spreche ich mit meinem Interim-Kollegen Hartwig Görtler. Hartwig ist ein erfahrener Interim Executive mit starker Vertriebs- und Marketing-DNA und finanziellem Scharfsinn. Er ist Experte für Unternehmensaufbau, -Führung und Umstrukturierung von Unternehmen in der Konsumgüterindustrie in Europa, dem Nahen Osten, Asien und Amerika. Hartwig hat viele seiner Skills beim Militär gelernt – als Offizier der Fallschirmjägertruppe, den spezialisierten Kräften der Bundeswehr. Gemeinsam beleuchten wir den härtesten Managerberuf der Welt – und erkunden, was das Mindset, Skillset und Toolset von Interim Managern mit denen von Elite-Einsatzkräften gemeinsam hat: Beginnen wir mit dem Eintritt in die „Kampfzone“: Hartwig, wenn du als Interim Manager in ein Unternehmen kommst, wie bereitest du dich auf die „ersten Tage im Einsatz“ vor? Ist das ähnlich wie ein Soldat, der sich auf eine neue Mission vorbereitet? Es gibt eine sehr schöne Parallele: Beide starten mit einer allgemeinen Lagebeschreibung, die oft nicht exakt mit der Situation vor Ort übereinstimmt und die sich mit zunehmenden Informationen immer weiter verfeinert. Anfangs sind die Problemfelder oft nur schemenhaft erkennbar. Erst durch gezieltes Nachfragen und tiefergehende Analysen kommen die tatsächlichen Herausforderungen zum Vorschein. Das hat auch etwas mit Eigen- und Fremdwahrnehmung zu tun. Die Grundherangehensweise nennt man beim Militär mit einem Augenzwinkern „hurry up and wait“: Zuerst muss alles sehr schnell gehen, darauf folgt eine Phase des Wartens. Dann taucht man tief in die Situation ein und muss zügig entscheiden: Sind die Probleme identifiziert? Ist der Auftrag deutlich definiert? Sind die Ziele klar? Stehen die benötigten Ressourcen zur Verfügung? Ist das Vorhaben umsetzbar? Eine weitere Parallele ist vielleicht noch die anfängliche Spannung vor einem Einsatz. Wir Interim Manager müssen oft schnell auf Unternehmenskrisen reagieren. Kannst du beschreiben, wie diese Reaktionsfähigkeit mit der eines Sondereinsatzteams vergleichbar ist, das auf einen Notruf reagiert? Es gibt einen großen Unterschied und eine große Gemeinsamkeit: Der größte Unterschied besteht darin, dass ich als Interim Manager nicht mit einer festen, hochqualifizierten Truppe in das Unternehmen komme, wie es bei Spezialeinheiten der Fall ist. Stattdessen treffe ich auf die bereits vorhandenen Mitarbeiter und muss mit ihnen zusammenarbeiten – unabhängig von ihrer Ausbildung oder Erfahrung. Im Gegensatz dazu ist bei Sondereinsätzen für jede erdenkliche Situation ein Spezialist dabei, vom Sanitäter bis zum Sprengmeister. Als Interim Manager stehe ich zunächst allein da und hoffe, im Unternehmen auf hochqualifizierte Personen zu treffen. Wenn nicht, gilt es, das Beste aus der gegebenen Situation herauszuholen. Die große Gemeinsamkeit liegt in der Notwendigkeit, die Situation schnell und präzise zu erfassen und eine effektive, pragmatische Lösung umgehend umzusetzen. Dieses schnelle Erfassen und Handeln ist sowohl im militärischen Spezialeinsatz als auch im Interim Management von entscheidender Bedeutung. Das sehe ich genauso. In kritischen Situationen wie Restrukturierungen darfst du keine Zeit verlieren, musst schnell Entscheidungen treffen und mit dem arbeiten, was da ist. Das ist auch wieder eine Gemeinsamkeit: Selbst, wenn du im Kampfeinsatz deine Ausrüstung verlierst, musst du weitermachen. Absolut. Vor allem bei Restrukturierungen benötigst du als Interim Manager auch Skills und Erfahrungen, die nicht jeder Mensch hat. Bleiben wir beim Thema Ausrüstung: Welche Werkzeuge hältst du immer bereit, um für jede Art von „Schlachtfeld“ im Unternehmensumfeld gerüstet zu sein? Im Militär war es üblich, dass man sich viele notwendige Ausrüstungsgegenstände selbst zu besorgen oder anzupassen musste – eine Parallele, die sich auch im Interim Management findet. Dort gibt es keinen standardisierten Werkzeugkasten. Jeder Manager bringt seine eigenen, individuell entwickelten Werkzeuge mit. Ein Beispiel dafür ist mein favorisiertes Tool: eine speziell angepasste Excel-Liste zur schnellen Bewertung von Kundenunternehmen und zur Ortung von Problembereichen. Obwohl einige Manager anfangs darüber lachen mögen, ist diese Liste das Ergebnis jahrelanger Erfahrung und kontinuierlicher Weiterentwicklung. Und: Ihre Präzision ist beeindruckend. Ich kann genau bestimmen, wo ich nach den benötigten Daten suchen muss und das Tool auf die gesamte Organisation, einzelne Abteilungen oder verschiedene Vertriebsbereiche anwenden. Es erlaubt mir, sofort zu erkennen, wenn eine Kennzahl aus dem Rahmen fällt. Jeder Interim Manager hat im Grunde seinen eigenen, selbstgestalteten Werkzeugkoffer. Zusätzlich zu solchen Tools stütze ich mich auf meine Gewissheit und Zuversicht: Ich kenne meine Fähigkeiten und bin überzeugt davon, dass ich dem Unternehmen helfen und es voranbringen kann, wenn meine Unterstützung akzeptiert wird. Meine jahrzehntelange Erfahrung ermöglicht es mir, typische Fehlermuster in Organisationen schnell zu identifizieren. Diese Kombination aus maßgeschneiderten Werkzeugen und tiefem Wissen macht den Interim Manager in der Wirtschaftslandschaft so effektiv. Wir werden oft als die Feuerwehrleute der Wirtschaft bezeichnet. Ein Feuerwehrmann geht ja zum Feuer hin – und rennt nicht vor ihm weg. Wer dieses Gen nicht in sich trägt, taugt nichts zum Interim Manager. Diese eigene Gewissheit und Zuversicht muss man schon haben, da bin ich ganz bei dir! Weitere Parallelen finden sich in der strategischen Planung: Wie ähnlich ist für dich die strategische Planung im Vergleich zur Missionsplanung eines Militärs, bei der oft unter Unsicherheit und Zeitdruck entschieden werden muss? Unsicherheit und Zeitdruck stellen deutliche Parallelen zwischen Interim Managern und Militär dar. In einem meiner Mandate war der Zeitdruck besonders intensiv: Hätten wir die Aufgabe nicht rechtzeitig abgeschlossen, wäre das Unternehmen in eine existenzbedrohende Schieflage geraten. Meine Planungsmethodik ist stark militärisch geprägt. Alles beginnt mit einem klaren Lagebild, das ich im ersten Briefing erhalte und durch gezielte Rückfragen weiter präzisiere. Daraufhin folgt die Planung entlang der Linien von Lage, über Auftrag, Ziel, verfügbare Mittel bis zur Durchführung. Ein entscheidender Faktor dabei ist die Führung und Kommunikation sowie die Unterstützung bei der Umsetzung. Oftmals werde ich zum Beispiel in ein Vertriebsmandat geholt und muss dann entscheiden, ob ich Unterstützung benötige oder selbst unterstützend tätig sein muss. Beim Launch einer Marke habe ich oft ein taktisches Bild vor Augen: Zuerst bereitet das Marketing wie Artilleriefeuer das Feld vor. Dann erfolgt eine Art „Schnelllandung“ durch agile Kräfte, die die ersten Sicherungen vornehmen. Das sind erste Leads, die gewonnen werden. Anschließend folgt der „Hauptangriff“ durch den Vertrieb, ähnlich der Infanterie, die das Terrain vollends einnehmen und halten. Das klingt martialisch, doch in der Marketingwelt nutzen wir oft militärische Begrifflichkeiten. Wir sprechen zum Beispiel davon, den Markt zu „erobern“ oder Marktanteile „zu gewinnen“. Das stammt direkt aus der Militärsprache. Wenn wir schon so sprechen, sollten wir auch so vorgehen! Die Herausforderung liegt darin, strategisch vorzugehen, ähnlich dem militärischen Taktik-Konzept „Gefecht der verbundenen Waffen“. Dort werden verschiedene Kräfte koordiniert eingesetzt. Ein gut orchestrierter Marketing-Mix, der Hand in Hand mit dem Vertrieb geht, symbolisiert ein erfolgreiches Zusammenspiel verschiedener Disziplinen, das die Stärken maximiert und eine koordinierte Marktbearbeitung sicherstellt. Da fällt mir Mike Tyson ein: „Everybody has a plan until they get punched in the face.“ Das trifft auch auf Interim Management zu. Man kann noch so durchdachte Pläne haben – die Realität hält häufig Überraschungen bereit. Als Interim Manager müssen wir uns darauf einstellen, dass die tatsächlichen Gegebenheiten fast immer von den Erwartungen abweichen. Die Fähigkeit, flexibel auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren und Pläne schnell anzupassen, ist daher eine der Schlüsselkompetenzen in unserem Berufsfeld. Ganz genau! Und um auf das Tyson-Zitat zu antworten, zitiere ich gerne Carl von Clausewitz: „Kein Plan überlebt den ersten Feindkontakt.“ Als Interim Manager benötigen wir eine hohe Flexibilität und Frustrationstoleranz. Ganz wichtig ist auch: Die Sinnhaftigkeit der geplanten Maßnahmen muss für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar sein. Ich lege großen Wert darauf, möglichst viele Eventualitäten durchzuspielen – so wie ein Team aus Spezialkräften seinen Einsatz plant: Es ist entscheidend, dass alle beteiligten Experten ihre Einwände einbringen können, um den Plan kontinuierlich zu verbessern und zu verfeinern. Das funktioniert allerdings nur mit einem Team von Leuten, die wirklich verstehen, was sie tun. Wie wichtig sind militärische Führungsqualitäten wie Disziplin und Befehlskette in deiner Rolle als Interim Manager? Führung sollte man nicht mit Befehlen verwechseln – das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Oftmals wird militärische Führung mit den lautstarken Anweisern aus Bootcamps assoziiert, doch solche Erfahrungen hatte ich nie. Vielmehr geht es bei Führung darum, das Verhalten der Beteiligten so zu steuern, dass gemeinsame Ziele erreicht werden. Lautstarkes Kommandieren ist hierbei fehl am Platz. Der Schlüssel liegt darin, die Menschen wirklich zu erreichen und sie zu motivieren, sich auf Veränderungen einzulassen. Das erfordert viel Empathie und Fingerspitzengefühl. Der zweite Aspekt der Führung ist, die notwendigen Mittel und Freiräume zu schaffen und einen reibungslosen Informationsfluss zu gewährleisten, damit das Team die Ziele erfolgreich umsetzen kann. Außerdem ist Disziplin unerlässlich, wird aber häufig missverstanden. Disziplin hat in der modernen Geschäftswelt nichts mit altem Preußentum zu tun – sondern mit Verbindlichkeit! Wer in einem Unternehmen arbeitet, geht Verpflichtungen ein. Zum Beispiel sollte man bei einem Meeting, das um 15 Uhr beginnt, spätestens fünf Minuten vorher anwesend und vorbereitet sein. Vorbereitet sein bedeutet, über die aktuelle Marktsituation informiert zu sein, die anstehenden Herausforderungen zu kennen und mögliche Handlungsoptionen aufzuzeigen, um darauf basierend gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Disziplin beinhaltet Verbindlichkeit, Zuverlässigkeit, Eigenverantwortung und Ehrlichkeit. Das sind grundlegende Werte. Und so hart es klingt: Sind sie nicht vorhanden, müssen sie etabliert werden! Sehr schön! Das sehe ich auch immer wieder: Mitarbeiter folgen am ehesten den Führungskräften, die selbst mit anpacken und sich nicht scheuen, sich die Hände schmutzig zu machen. Solche Führungskräfte brauchen oft keine lauten Befehle, um Respekt und Loyalität zu gewinnen. Umgekehrt kollabieren Unternehmen, wenn die Führungskräfte sich in ihrem Elfenbeinturm verschanzen und den Kontakt zu Mitarbeitern und Kunden verlieren. Es ist dieser Verlust an Nähe und Direktheit, der zu Problemen führt. Richtig! Geführt wird von vorn. Es erstaunt mich immer wieder, wie selten Verantwortliche tatsächlich beim Kunden sind. Auch das Marketing sollte häufiger direkt beim Kunden sein. Als Vertriebler betone ich immer wieder: Man muss „das Weiße im Auge des Kunden“ sehen, um ein echtes Gefühl für den Markt zu bekommen. Man muss echtes Interesse haben, rauszugehen und direkt mit den Menschen zu interagieren, mit denen man Geschäfte macht. Nur so kann man wirklich verstehen, was sie wollen. Gute Führungskräfte sind immer dort, wo die Herausforderungen am größten sind, direkt an vorderster Front! Kommunikation unter Druck ist sowohl im Kampfgebiet als auch in Krisensituationen in Unternehmen entscheidend. Was tust du, damit deine Botschaften klar und verständlich sind – selbst, wenn gerade Chaos herrscht? Zunächst bringe ich eine gewisse Präsenz mit, die nicht künstlich erzeugt werden kann – entweder man hat sie, oder man hat sie nicht. Mein Ziel ist es, meine Kommunikation so klar, direkt und verständlich wie möglich zu gestalten. Klarheit ist von immenser Bedeutung, auch wenn sie manchmal etwas schroff wirken kann. Doch es geht nicht um Unhöflichkeit, sondern um Direktheit. In einer Krise habe ich nicht die Zeit, Nachrichten sanft einzuleiten. Je größer die Krise ist, desto präziser muss meine Kommunikation sein, um Interpretationsspielräume zu minimieren. Wichtig ist, dass der Empfänger das Ziel kennt, meine Botschaft versteht – und innerhalb dieses Rahmens agieren kann. Der größte Unterschied dazu im Kampfeinsatz: Wenn ich früher einen Befehl zum Ausrücken gegeben habe, dann waren meine Leute weg. Idealerweise hatten wir Funkkontakt, aber auch das nicht immer. Ich musste mich also darauf verlassen, Stichwort Disziplin, wenn es heißt, „um 8 Uhr geht's los“, dass es dann um 8 Uhr losging. Es wäre tödlich, wenn die Artillerie noch 5 Minuten warten würde. Dann habe ich nämlich keine Mannschaft mehr. Ich musste mich auch darauf verlassen können, dass jeder das Ziel erkennt. Selbst, wenn ich keinen Funkkontakt hatte, wusste ich: Da ist jetzt ein Hindernis, aber die Einheit ist gut genug, sie ist fähig, ich kann ihr so weit vertrauen, dass sie das Ziel irgendwie erreichen wird. Im Unternehmen sind wir eher gewohnt, rund um die Uhr erreichbar zu sein, ob per E-Mail, WhatsApp oder Anruf. Da geht es mehr um die Frage: Kommt meine Kommunikation so an, wie ich es haben möchte? Ich bevorzuge direkte, mündliche Kommunikation, da ich an der Reaktion und dem sozialen Feedback erkennen kann, ob mein Gegenüber die Botschaft verstanden hat. Je schriftlicher die Kommunikation, desto größer der Raum für Interpretationen. Und in einer Krise sind Interpretationen fatal. Grundsätzlich gilt: Klar, direkt und verständlich kommunizieren, Einwände zulassen – und dann konsequent handeln. Wie wichtig ist es für dich, „kampferprobt“ zu sein und in verschiedenen „Gefechtssituationen“ in Unternehmen Erfahrungen gesammelt zu haben? Ich hatte das Glück, in einer Einheit zu dienen, in der wir intensiv auf Stresssituationen vorbereitet wurden. Es war eine interessante und harte Erfahrung zu erkennen, wie man unter extremen Bedingungen wie Hunger, Schlafentzug und maximalem Stress noch Gleichrangige führen muss – und sie zu motivieren, stressige und scheinbar sinnlose Übungen durchzuführen. Diese Prägungen sind der Grund, warum ich in vielen Situationen erstaunlich ruhig bleiben kann. Warum sollte ich mich auch aufregen? Das Schöne an der Tätigkeit als Interim Manager ist doch, dass sie in der Regel nicht lebensgefährlich ist. Erfahrung ist für mich ein zentrales Thema. Ursprünglich komme ich aus dem Vertrieb, habe aber auch andere Bereiche durchlaufen, wie Einkauf, Strategie, Marketing und Logistik – sowohl in Europa als auch in Fernost. Sogar Einblicke in die Buchhaltung habe ich gewonnen. Obwohl Buchhaltung nicht mein Steckenpferd ist, habe ich genug gelernt, dass mir niemand etwas vormachen kann. Diese Vielfältigkeit der Erfahrung – sowohl im Leben allgemein als auch spezifisch innerhalb verschiedener Betriebsbereiche – ist entscheidend in meinem Beruf. Wenn es in einem Unternehmensbereich brennt, kann ich nicht einfach sagen, dass ich diesen Sektor nicht gut genug kenne. Das wäre weder für mich noch für das Unternehmen von Vorteil. Ich muss schnell schalten und erkennen können, wo die Probleme liegen und wo nicht. Und hier kommt der zweite Punkt zu Erfahrung: Gute Führung entscheidet sich erst in Krisensituation. Es gibt viele Schönwetterkapitäne da draußen. Es ist auch okay, einen Betrieb skalieren zu können, wenn die Wirtschaftslage gut ist. Komplexer wird das Ganze aber, wenn der Markt kippt und das Unternehmen in eine Krisensituation schlittert. Dann zeigt sich, wer auch bei Sturm segeln kann. Ich sehe mich da als Interim Manager als ein Lotse. Der kommt bei Sturm an Bord und steuert das Schiff durch die Krisenwellen. Dazu muss der Kapitän den Lotsen aber auch machen lassen. Ich glaube, das ist etwas, was vielen Führungskräften sehr schwerfällt: den Lotsen wirklich ans Steuer zu lassen. Da sprichst du etwas ganz Wichtiges an: Gute Führung bedeutet, mit 80 Prozent an Informationen 100-prozentige Entscheidungen zu treffen. Im Kampfeinsatz hat man oftmals noch weniger Informationen und muss dennoch 100 Prozent Entscheidungen treffen. Als Interim Manager haben wir auch nicht viel Zeit, Vertrauen aufzubauen. Darum meine Frage: Wie baust du Vertrauen und Kameradschaft im Team auf, damit alle an einem Strang ziehen? Sowohl im Beruf als auch privat hat jeder Mensch bei mir ein sogenanntes Vertrauensbonuskonto mit anfänglich 10 Punkten. Diese Punkte können sich verringern: Für gravierende Fehler gibt es mehr Punktabzug, für kleinere Fehler entsprechend weniger. So kann ich über die Zeit beurteilen, ob ich einer Person in der Interaktion vertrauen kann oder nicht. Um Vertrauen aufzubauen, sind für mich vier Grundprinzipien essenziell: Du musst authentisch sein, zugänglich, erreichbar – und du musst ein starkes Verantwortungsbewusstsein haben. Das gilt sowohl für das Ergebnis deiner Arbeit als auch für die Einhaltung der Unternehmenswerte und die Disziplin, zumindest während der Zeit, die du im Unternehmen verbringst. Gab es kritische Situationen im Mandat, wo du entschlossen weitergemacht hast, trotz schwieriger Umstände und möglicher Misserfolge? Es wäre unehrlich zu behaupten, dass als Interim Manager alles immer reibungslos läuft. Doch es ist meine Mentalität, nicht aufzugeben. Ich bin optimistisch, dass Herausforderungen überwindbar sind. Die Fähigkeit zur Selbstmotivation ist dabei unerlässlich. Ich kann nicht erwarten, dass mich jemand tröstet und mir sagt, dass morgen alles besser wird. Diese Aufgabe übernehme ich durch meine Willenskraft schon selbst. Die größere Herausforderung liegt jedoch darin, diese Einstellung auch anderen zu vermitteln – besonders, wenn Entscheidungen nicht akzeptiert oder nicht korrekt umgesetzt wurden. Hier musst du die Größe zu haben, zuzugeben, wenn etwas nicht gut lief – und gleichzeitig sofort Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln, dass das noch nicht das Ende ist. Hinfallen, aufstehen, weitermachen. Diese „Never-Give-Up“-Mentalität habe ich aus dem Leistungssport. Ich stelle gerne Menschen ein, die im Wettkampf-Sport aktiv sind oder waren, denn: Sie haben gelernt, mit Niederlagen umzugehen. Wie misst du den Erfolg deiner Mission als Interim Manager und wie sorgst du dafür, dass das Team alle zuvor geplanten Checkpoints erreicht? Ich messe den Erfolg anhand von drei Fragen, die unterschiedlich gewichtet sind. Die erste und wichtigste Frage lautet: Wurde das Ziel erreicht? Wenn das Unternehmen wieder profitabel ist und das Ziel im Mandat erfüllt wurde, dann habe ich die volle Punktzahl erreicht. Dabei ist es für mich zweitrangig, ob die Mitarbeitenden mich dafür besonders mögen. Natürlich wäre es schön, ein positives Feedback zu erhalten, aber manchmal bleibt dies aus. Die zweite Frage betrifft die Zufriedenheit der Stakeholder. Sind sie zufrieden, bedeutet das eine Anerkennung meiner Leistung, was mich besonders freut. Die dritte Frage, ob wirklich alle zufrieden sind, ist am wenigsten entscheidend, denn es gibt fast immer jemanden, der Kritik übt. Für mich zählt in erster Linie das Erreichen des Ziels. Die Zufriedenheit der Stakeholder und der Mitarbeitenden ist wünschenswert, aber nicht essenziell. Hier ziehe ich wieder den Vergleich des Lotsen heran: Auch wenn ich vielleicht nicht mit dem Kapitän harmoniere und er sich später über mich beschwert, zählt am Ende, dass das Schiff unbeschädigt und pünktlich den Hafen erreicht hat. Hätte der Kapitän mich gemocht und würde er am Ende gut über mich sprechen, wäre das schöner. Aber es würde da Ergebnis nicht verbessern. Das ist die Trennlinie: Das eine ist gut, das andere ist schön. Aber schön muss nicht immer gut sein und gut ist nicht immer schön.
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Experten-Talk mit Hartwig Görtler:


„Gute Führungskräfte sind an vorderster Front!“

Interim Manager sind die Spezialkräfte der Wirtschaft – und das aus gutem Grund. Ähnlich wie ihre militärischen Pendants werden sie in die Brennpunkte geschickt, wo schnelle, effektive und oft entscheidende Interventionen nötig sind.

Nicht jeder hat das Zeug zum Interim Manager: Es erfordert ein spezielles Set an Fähigkeiten, eine besondere mentale Stärke – und eine Ausrüstung, die auf die komplexen Herausforderungen der Unternehmenswelt zugeschnitten ist.

In diesem Experten-Talk spreche ich mit meinem Interim-Kollegen Hartwig Görtler. Hartwig ist ein erfahrener Interim Executive mit starker Vertriebs- und Marketing-DNA und finanziellem Scharfsinn. Er ist Experte für Unternehmensaufbau, -Führung und Umstrukturierung von Unternehmen in der Konsumgüterindustrie in Europa, dem Nahen Osten, Asien und Amerika.

Hartwig Görtler - www.campsis-consulting.de

Hartwig hat viele seiner Skills beim Militär gelernt – als Offizier der Fallschirmjägertruppe, den spezialisierten Kräften der Bundeswehr. Gemeinsam beleuchten wir den härtesten Managerberuf der Welt – und erkunden, was das Mindset, Skillset und Toolset von Interim Managern mit denen von Elite-Einsatzkräften gemeinsam hat:

Beginnen wir mit dem Eintritt in die „Kampfzone“: Hartwig, wenn du als Interim Manager in ein Unternehmen kommst, wie bereitest du dich auf die „ersten Tage im Einsatz“ vor? Ist das ähnlich wie ein Soldat, der sich auf eine neue Mission vorbereitet?

Es gibt eine sehr schöne Parallele: Beide starten mit einer allgemeinen Lagebeschreibung, die oft nicht exakt mit der Situation vor Ort übereinstimmt und die sich mit zunehmenden Informationen immer weiter verfeinert. Anfangs sind die Problemfelder oft nur schemenhaft erkennbar. Erst durch gezieltes Nachfragen und tiefergehende Analysen kommen die tatsächlichen Herausforderungen zum Vorschein. Das hat auch etwas mit Eigen- und Fremdwahrnehmung zu tun.

Die Grundherangehensweise nennt man beim Militär mit einem Augenzwinkern „hurry up and wait“: Zuerst muss alles sehr schnell gehen, darauf folgt eine Phase des Wartens. Dann taucht man tief in die Situation ein und muss zügig entscheiden: Sind die Probleme identifiziert? Ist der Auftrag deutlich definiert? Sind die Ziele klar? Stehen die benötigten Ressourcen zur Verfügung? Ist das Vorhaben umsetzbar? Eine weitere Parallele ist vielleicht noch die anfängliche Spannung vor einem Einsatz.

Wir Interim Manager müssen oft schnell auf Unternehmenskrisen reagieren. Kannst du beschreiben, wie diese Reaktionsfähigkeit mit der eines Sondereinsatzteams vergleichbar ist, das auf einen Notruf reagiert?

Es gibt einen großen Unterschied und eine große Gemeinsamkeit: Der größte Unterschied besteht darin, dass ich als Interim Manager nicht mit einer festen, hochqualifizierten Truppe in das Unternehmen komme, wie es bei Spezialeinheiten der Fall ist. Stattdessen treffe ich auf die bereits vorhandenen Mitarbeiter und muss mit ihnen zusammenarbeiten – unabhängig von ihrer Ausbildung oder Erfahrung.

Im Gegensatz dazu ist bei Sondereinsätzen für jede erdenkliche Situation ein Spezialist dabei, vom Sanitäter bis zum Sprengmeister. Als Interim Manager stehe ich zunächst allein da und hoffe, im Unternehmen auf hochqualifizierte Personen zu treffen. Wenn nicht, gilt es, das Beste aus der gegebenen Situation herauszuholen.

Die große Gemeinsamkeit liegt in der Notwendigkeit, die Situation schnell und präzise zu erfassen und eine effektive, pragmatische Lösung umgehend umzusetzen. Dieses schnelle Erfassen und Handeln ist sowohl im militärischen Spezialeinsatz als auch im Interim Management von entscheidender Bedeutung.

Das sehe ich genauso. In kritischen Situationen wie Restrukturierungen darfst du keine Zeit verlieren, musst schnell Entscheidungen treffen und mit dem arbeiten, was da ist. Das ist auch wieder eine Gemeinsamkeit: Selbst, wenn du im Kampfeinsatz deine Ausrüstung verlierst, musst du weitermachen.

Absolut. Vor allem bei Restrukturierungen benötigst du als Interim Manager auch Skills und Erfahrungen, die nicht jeder Mensch hat.

:devider:

Bleiben wir beim Thema Ausrüstung: Welche Werkzeuge hältst du immer bereit, um für jede Art von „Schlachtfeld“ im Unternehmensumfeld gerüstet zu sein?

Im Militär war es üblich, dass man sich viele notwendige Ausrüstungsgegenstände selbst besorgen oder anpassen musste – eine Parallele, die sich auch im Interim Management findet. Dort gibt es keinen standardisierten Werkzeugkasten. Jeder Manager bringt seine eigenen, individuell entwickelten Werkzeuge mit. Ein Beispiel dafür ist mein favorisiertes Tool: eine speziell angepasste Excel-Liste zur schnellen Bewertung von Kundenunternehmen und zur Ortung von Problembereichen. Obwohl einige Manager anfangs darüber lachen mögen, ist diese Liste das Ergebnis jahrelanger Erfahrung und kontinuierlicher Weiterentwicklung.

Und: Ihre Präzision ist beeindruckend. Ich kann genau bestimmen, wo ich nach den benötigten Daten suchen muss und das Tool auf die gesamte Organisation, einzelne Abteilungen oder verschiedene Vertriebsbereiche anwenden. Es erlaubt mir, sofort zu erkennen, wenn eine Kennzahl aus dem Rahmen fällt. Jeder Interim Manager hat im Grunde seinen eigenen, selbstgestalteten Werkzeugkoffer.

Zusätzlich zu solchen Tools stütze ich mich auf meine Gewissheit und Zuversicht: Ich kenne meine Fähigkeiten und bin überzeugt davon, dass ich dem Unternehmen helfen und es voranbringen kann, wenn meine Unterstützung akzeptiert wird. Meine jahrzehntelange Erfahrung ermöglicht es mir, typische Fehlermuster in Organisationen schnell zu identifizieren.

Diese Kombination aus maßgeschneiderten Werkzeugen und tiefem Wissen macht den Interim Manager in der Wirtschaftslandschaft so effektiv.

© Shutterstock

Wir werden oft als die Feuerwehrleute der Wirtschaft bezeichnet. Ein Feuerwehrmann geht ja zum Feuer hin – und rennt nicht vor ihm weg. Wer dieses Gen nicht in sich trägt, taugt nichts zum Interim Manager. Diese eigene Gewissheit und Zuversicht muss man schon haben, da bin ich ganz bei dir! Weitere Parallelen finden sich in der strategischen Planung: Wie ähnlich ist für dich die strategische Planung im Vergleich zur Missionsplanung eines Militärs, bei der oft unter Unsicherheit und Zeitdruck entschieden werden muss?

Unsicherheit und Zeitdruck stellen deutliche Parallelen zwischen Interim Managern und Militär dar. In einem meiner Mandate war der Zeitdruck besonders intensiv: Hätten wir die Aufgabe nicht rechtzeitig abgeschlossen, wäre das Unternehmen in eine existenzbedrohende Schieflage geraten. Meine Planungsmethodik ist stark militärisch geprägt. Alles beginnt mit einem klaren Lagebild, das ich im ersten Briefing erhalte und durch gezielte Rückfragen weiter präzisiere. Daraufhin folgt die Planung entlang der Linien von Lage, über Auftrag, Ziel, verfügbare Mittel bis zur Durchführung.

Ein entscheidender Faktor dabei ist die Führung und Kommunikation sowie die Unterstützung bei der Umsetzung. Oftmals werde ich zum Beispiel in ein Vertriebsmandat geholt und muss dann entscheiden, ob ich Unterstützung benötige oder selbst unterstützend tätig sein muss. Beim Launch einer Marke habe ich oft ein taktisches Bild vor Augen: Zuerst bereitet das Marketing wie Artilleriefeuer das Feld vor. Dann erfolgt eine Art „Schnelllandung“ durch agile Kräfte, die die ersten Sicherungen vornehmen.

Das sind erste Leads, die gewonnen werden. Anschließend folgt der „Hauptangriff“ durch den Vertrieb, ähnlich der Infanterie, die das Terrain vollends einnehmen und halten. Das klingt martialisch, doch in der Marketingwelt nutzen wir oft militärische Begrifflichkeiten. Wir sprechen zum Beispiel davon, den Markt zu „erobern“ oder Marktanteile „zu gewinnen“. Das stammt direkt aus der Militärsprache.

Wenn wir schon so sprechen, sollten wir auch so vorgehen! Die Herausforderung liegt darin, strategisch vorzugehen, ähnlich dem militärischen Taktik-Konzept „Gefecht der verbundenen Waffen“. Dort werden verschiedene Kräfte koordiniert eingesetzt. Ein gut orchestrierter Marketing-Mix, der Hand in Hand mit dem Vertrieb geht, symbolisiert ein erfolgreiches Zusammenspiel verschiedener Disziplinen, das die Stärken maximiert und eine koordinierte Marktbearbeitung sicherstellt.

:devider:

Da fällt mir Mike Tyson ein: „Everybody has a plan until they get punched in the face.“ Das trifft auch auf Interim Management zu. Man kann noch so durchdachte Pläne haben – die Realität hält häufig Überraschungen bereit. Als Interim Manager müssen wir uns darauf einstellen, dass die tatsächlichen Gegebenheiten fast immer von den Erwartungen abweichen. Die Fähigkeit, flexibel auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren und Pläne schnell anzupassen, ist daher eine der Schlüsselkompetenzen in unserem Berufsfeld.

Ganz genau! Und um auf das Tyson-Zitat zu antworten, zitiere ich gerne Carl von Clausewitz: Kein Plan überlebt den ersten Feindkontakt.“ Als Interim Manager benötigen wir eine hohe Flexibilität und Frustrationstoleranz.

Ganz wichtig ist auch: Die Sinnhaftigkeit der geplanten Maßnahmen muss für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar sein. Ich lege großen Wert darauf, möglichst viele Eventualitäten durchzuspielen – so wie ein Team aus Spezialkräften seinen Einsatz plant: Es ist entscheidend, dass alle beteiligten Experten ihre Einwände einbringen können, um den Plan kontinuierlich zu verbessern und zu verfeinern. Das funktioniert allerdings nur mit einem Team von Leuten, die wirklich verstehen, was sie tun.

© gettyimages

Wie wichtig sind militärische Führungsqualitäten wie Disziplin und Befehlskette in deiner Rolle als Interim Manager?

Führung sollte man nicht mit Befehlen verwechseln – das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Oftmals wird militärische Führung mit den lautstarken Anweisern aus Bootcamps assoziiert, doch solche Erfahrungen hatte ich nie.

Vielmehr geht es bei Führung darum, das Verhalten der Beteiligten so zu steuern, dass gemeinsame Ziele erreicht werden. Lautstarkes Kommandieren ist hierbei fehl am Platz. Der Schlüssel liegt darin, die Menschen wirklich zu erreichen und sie zu motivieren, sich auf Veränderungen einzulassen. Das erfordert viel Empathie und Fingerspitzengefühl.

Der zweite Aspekt der Führung ist, die notwendigen Mittel und Freiräume zu schaffen und einen reibungslosen Informationsfluss zu gewährleisten, damit das Team die Ziele erfolgreich umsetzen kann. Außerdem ist Disziplin unerlässlich, wird aber häufig missverstanden. Disziplin hat in der modernen Geschäftswelt nichts mit altem Preußentum zu tun – sondern mit Verbindlichkeit! Wer in einem Unternehmen arbeitet, geht Verpflichtungen ein. Zum Beispiel sollte man bei einem Meeting, das um 15 Uhr beginnt, spätestens fünf Minuten vorher anwesend und vorbereitet sein.

Vorbereitet sein bedeutet, über die aktuelle Marktsituation informiert zu sein, die anstehenden Herausforderungen zu kennen und mögliche Handlungsoptionen aufzuzeigen, um darauf basierend gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Disziplin beinhaltet Verbindlichkeit, Zuverlässigkeit, Eigenverantwortung und Ehrlichkeit. Das sind grundlegende Werte. Und so hart es klingt: Sind sie nicht vorhanden, müssen sie etabliert werden!

Sehr schön! Das sehe ich auch immer wieder: Mitarbeiter folgen am ehesten den Führungskräften, die selbst mit anpacken und sich nicht scheuen, sich die Hände schmutzig zu machen. Solche Führungskräfte brauchen oft keine lauten Befehle, um Respekt und Loyalität zu gewinnen. Umgekehrt kollabieren Unternehmen, wenn die Führungskräfte sich in ihrem Elfenbeinturm verschanzen und den Kontakt zu Mitarbeitern und Kunden verlieren. Es ist dieser Verlust an Nähe und Direktheit, der zu Problemen führt.

Richtig! Geführt wird von vorn. Es erstaunt mich immer wieder, wie selten Verantwortliche tatsächlich beim Kunden sind. Auch das Marketing sollte häufiger direkt beim Kunden sein. Als Vertriebler betone ich immer wieder: Man muss „das Weiße im Auge des Kunden“ sehen, um ein echtes Gefühl für den Markt zu bekommen. Man muss echtes Interesse haben, rauszugehen und direkt mit den Menschen zu interagieren, mit denen man Geschäfte macht. Nur so kann man wirklich verstehen, was sie wollen. Gute Führungskräfte sind immer dort, wo die Herausforderungen am größten sind, direkt an vorderster Front!

:devider:

Kommunikation unter Druck ist sowohl im Kampfgebiet als auch in Krisensituationen in Unternehmen entscheidend. Was tust du, damit deine Botschaften klar und verständlich sind – selbst, wenn gerade Chaos herrscht?

Zunächst bringe ich eine gewisse Präsenz mit, die nicht künstlich erzeugt werden kann – entweder man hat sie, oder man hat sie nicht. Mein Ziel ist es, meine Kommunikation so klar, direkt und verständlich wie möglich zu gestalten. Klarheit ist von immenser Bedeutung, auch wenn sie manchmal etwas schroff wirken kann. Doch es geht nicht um Unhöflichkeit, sondern um Direktheit. In einer Krise habe ich nicht die Zeit, Nachrichten sanft einzuleiten. Je größer die Krise ist, desto präziser muss meine Kommunikation sein, um Interpretationsspielräume zu minimieren. Wichtig ist, dass der Empfänger das Ziel kennt, meine Botschaft versteht – und innerhalb dieses Rahmens agieren kann.

Der größte Unterschied dazu im Kampfeinsatz: Wenn ich früher einen Befehl zum Ausrücken gegeben habe, dann waren meine Leute weg. Idealerweise hatten wir Funkkontakt, aber auch das nicht immer. Ich musste mich also darauf verlassen, Stichwort Disziplin, wenn es heißt, „um 8 Uhr geht's los“, dass es dann um 8 Uhr losging. Es wäre tödlich, wenn die Artillerie noch 5 Minuten warten würde.

Dann habe ich nämlich keine Mannschaft mehr. Ich musste mich auch darauf verlassen können, dass jeder das Ziel erkennt. Selbst, wenn ich keinen Funkkontakt hatte, wusste ich: Da ist jetzt ein Hindernis, aber die Einheit ist gut genug, sie ist fähig, ich kann ihr so weit vertrauen, dass sie das Ziel irgendwie erreichen wird.

Im Unternehmen sind wir eher gewohnt, rund um die Uhr erreichbar zu sein, ob per E-Mail, WhatsApp oder Anruf. Da geht es mehr um die Frage: Kommt meine Kommunikation so an, wie ich es haben möchte? Ich bevorzuge direkte, mündliche Kommunikation, da ich an der Reaktion und dem sozialen Feedback erkennen kann, ob mein Gegenüber die Botschaft verstanden hat. Je schriftlicher die Kommunikation, desto größer der Raum für Interpretationen. Und in einer Krise sind Interpretationen fatal. Grundsätzlich gilt: Klar, direkt und verständlich kommunizieren, Einwände zulassen – und dann konsequent handeln.

Wie wichtig ist es für dich, „kampferprobt“ zu sein und in verschiedenen „Gefechtssituationen“ in Unternehmen Erfahrungen gesammelt zu haben?

Ich hatte das Glück, in einer Einheit zu dienen, in der wir intensiv auf Stresssituationen vorbereitet wurden. Es war eine interessante und harte Erfahrung zu erkennen, wie man unter extremen Bedingungen wie Hunger, Schlafentzug und maximalem Stress noch Gleichrangige führen muss – und sie zu motivieren, stressige und scheinbar sinnlose Übungen durchzuführen. Diese Prägungen sind der Grund, warum ich in vielen Situationen erstaunlich ruhig bleiben kann. Warum sollte ich mich auch aufregen? Das Schöne an der Tätigkeit als Interim Manager ist doch, dass sie in der Regel nicht lebensgefährlich ist.

Erfahrung ist für mich ein zentrales Thema. Ursprünglich komme ich aus dem Vertrieb, habe aber auch andere Bereiche durchlaufen, wie Einkauf, Strategie, Marketing und Logistik – sowohl in Europa als auch in Fernost. Sogar Einblicke in die Buchhaltung habe ich gewonnen. Obwohl Buchhaltung nicht mein Steckenpferd ist, habe ich genug gelernt, dass mir niemand etwas vormachen kann.

Diese Vielfältigkeit der Erfahrung – sowohl im Leben allgemein als auch spezifisch innerhalb verschiedener Betriebsbereiche – ist entscheidend in meinem Beruf. Wenn es in einem Unternehmensbereich brennt, kann ich nicht einfach sagen, dass ich diesen Sektor nicht gut genug kenne. Das wäre weder für mich noch für das Unternehmen von Vorteil. Ich muss schnell schalten und erkennen können, wo die Probleme liegen und wo nicht.

Und hier kommt der zweite Punkt zu Erfahrung: Gute Führung entscheidet sich erst in Krisensituation. Es gibt viele Schönwetterkapitäne da draußen. Es ist auch okay, einen Betrieb skalieren zu können, wenn die Wirtschaftslage gut ist. Komplexer wird das Ganze aber, wenn der Markt kippt und das Unternehmen in eine Krisensituation schlittert. Dann zeigt sich, wer auch bei Sturm segeln kann. Ich sehe mich da als Interim Manager als ein Lotse. Der kommt bei Sturm an Bord und steuert das Schiff durch die Krisenwellen. Dazu muss der Kapitän den Lotsen aber auch machen lassen. Ich glaube, das ist etwas, was vielen Führungskräften sehr schwerfällt: den Lotsen wirklich ans Steuer zu lassen.

:devider:

Da sprichst du etwas ganz Wichtiges an: Gute Führung bedeutet, mit 80 Prozent an Informationen 100-prozentige Entscheidungen zu treffen. Im Kampfeinsatz hat man oftmals noch weniger Informationen und muss dennoch 100 Prozent Entscheidungen treffen. Als Interim Manager haben wir auch nicht viel Zeit, Vertrauen aufzubauen. Darum meine Frage: Wie baust du Vertrauen und Kameradschaft im Team auf, damit alle an einem Strang ziehen?

Sowohl im Beruf als auch privat hat jeder Mensch bei mir ein sogenanntes Vertrauensbonuskonto mit anfänglich 10 Punkten. Diese Punkte können sich verringern: Für gravierende Fehler gibt es mehr Punktabzug, für kleinere Fehler entsprechend weniger. So kann ich über die Zeit beurteilen, ob ich einer Person in der Interaktion vertrauen kann oder nicht. Um Vertrauen aufzubauen, sind für mich vier Grundprinzipien essenziell: Du musst authentisch sein, zugänglich, erreichbar – und du musst ein starkes Verantwortungsbewusstsein haben. Das gilt sowohl für das Ergebnis deiner Arbeit als auch für die Einhaltung der Unternehmenswerte und die Disziplin, zumindest während der Zeit, die du im Unternehmen verbringst.

Gab es kritische Situationen im Mandat, wo du entschlossen weitergemacht hast, trotz schwieriger Umstände und möglicher Misserfolge?

Es wäre unehrlich zu behaupten, dass als Interim Manager alles immer reibungslos läuft. Doch es ist meine Mentalität, nicht aufzugeben. Ich bin optimistisch, dass Herausforderungen überwindbar sind. Die Fähigkeit zur Selbstmotivation ist dabei unerlässlich. Ich kann nicht erwarten, dass mich jemand tröstet und mir sagt, dass morgen alles besser wird. Diese Aufgabe übernehme ich durch meine Willenskraft schon selbst. Die größere Herausforderung liegt jedoch darin, diese Einstellung auch anderen zu vermitteln – besonders, wenn Entscheidungen nicht akzeptiert oder nicht korrekt umgesetzt wurden. Hier musst du die Größe zu haben, zuzugeben, wenn etwas nicht gut lief – und gleichzeitig sofort Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln, dass das noch nicht das Ende ist. Hinfallen, aufstehen, weitermachen. Diese „Never-Give-Up“-Mentalität habe ich aus dem Leistungssport. Ich stelle gerne Menschen ein, die im Wettkampf-Sport aktiv sind oder waren, denn: Sie haben gelernt, mit Niederlagen umzugehen.

Wie misst du den Erfolg deiner Mission als Interim Manager und wie sorgst du dafür, dass das Team alle zuvor geplanten Checkpoints erreicht?

Ich messe den Erfolg anhand von drei Fragen, die unterschiedlich gewichtet sind. Die erste und wichtigste Frage lautet: Wurde das Ziel erreicht? Wenn das Unternehmen wieder profitabel ist und das Ziel im Mandat erfüllt wurde, dann habe ich die volle Punktzahl erreicht. Dabei ist es für mich zweitrangig, ob die Mitarbeitenden mich dafür besonders mögen. Natürlich wäre es schön, ein positives Feedback zu erhalten, aber manchmal bleibt dies aus.

Die zweite Frage betrifft die Zufriedenheit der Stakeholder. Sind sie zufrieden, bedeutet das eine Anerkennung meiner Leistung, was mich besonders freut. Die dritte Frage, ob wirklich alle zufrieden sind, ist am wenigsten entscheidend, denn es gibt fast immer jemanden, der Kritik übt. Für mich zählt in erster Linie das Erreichen des Ziels.

Die Zufriedenheit der Stakeholder und der Mitarbeitenden ist wünschenswert, aber nicht essenziell. Hier ziehe ich wieder den Vergleich des Lotsen heran: Auch wenn ich vielleicht nicht mit dem Kapitän harmoniere und er sich später über mich beschwert, zählt am Ende, dass das Schiff unbeschädigt und pünktlich den Hafen erreicht hat. Hätte der Kapitän mich gemocht und würde er am Ende gut über mich sprechen, wäre das schöner. Aber es würde da Ergebnis nicht verbessern. Das ist die Trennlinie: Das eine ist gut, das andere ist schön. Aber schön muss nicht immer gut sein und gut ist nicht immer schön.

Danke für das spannende Gespräch Hartwig!

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